Geschichten der FSV Wächtersberg – Rüdiger Schaible
Am Freitagabend versammelten sich über 70 Mitglieder und Interessierte im Vereinsheim der Flugsportvereinigung (FSV) Wächtersberg um den Erzählungen vom Rüdiger Schaible zu lauschen. Rüdiger wurde Anfang des Jahres zu seiner 60-jährigen Mitgliedschaft in der FSV Wächtersberg geehrt und gab damals das Versprechen ab, über seine Erlebnisse zu erzählen.
Rüdiger ist im Jahr 1941 geboren, wuchs in Effringen auf, wo er noch heute lebt. Er ging dort zu Schule und machte später bei seinem Onkel im Baugeschäft und Gartenbau die Lehre. Dort arbeitete er, bis auf die letzten 10 Berufsjahre, da war er für das Wasserwirtschaftsamt Freudenstadt in Calw u.a. für die Bauaufsicht zuständig.
Vor den Vereinsmitgliedern, weiteren Interessierten, aber auch früheren Weggefährten erzählte er von den Anfängen seiner Fliegerei. Vorher aber griff er zur Gitarre und sang Reinhard Mey’s „Über den Wolken“.
Es war 1955, als Modellflieger ihm vom Flugbetrieb auf dem Wächtersberg erzählten. Noch am gleichen Tag ist er die rund eineinhalb Stunden dorthin gelaufen um sich das aus der Nähe anzuschauen. Erst fünf Jahre zuvor wurde der Flugbetrieb wieder aufgenommen. Ihn hat dann sogleich das Fliegervirus gepackt. Jedoch stand, vor einem ersten Flug per Gummiseilstart im Schulgleiter SG38, ein halbes Jahr Mitarbeit in der Werkstatt an und er musste sich bewähren.
Bevor die Flugschüler damals ihre ersten Starts machten, wurde intensiv über die Handlungen bei Start und Landung gesprochen. Als Hilfsmittel kam dabei auch der sogenannte Pendelbock zum Einsatz. Der Schulgleiter wurde in den Wind gedreht und in einen Bock gespannt, der diesen, kardanisch aufgehangen, beweglich machte. Damit konnten zumindest die richtigen Steuerbewegungen und Längsneigung geübt werden.
„Der erste Flug sollte nur ein erster ‘Hüpfer’ werden.“ betonte Rüdiger, bevor er von seinem ersten Flug erzählte. Aufgrund der günstigen Wetterlage und wohl sehr starkem Zug beim Gummiseilstart, trug ihn der Wind und die Thermik weit weg vom Hang über Wildberg hinweg, bevor er auf den Wiesen landete, wo sich die heutige Wächtersberg-Siedlung befindet. Nach kurzem Schreck war anschließend bei Allen die Freude umso größer, über diesen gelungenen und außerordentlichen ersten Flug. Rund zwanzig Flugschüler waren damals in Ausbildung. Die Erstflüge fanden meist kurzfristig ohne Vorankündigung statt und das war auch gut so, das ersparte einem schlaflose Nächte, wo man sich vorher viele Gedanken gemacht hätte.
„Ich radelte zum Stuttgarter Flughafen“ erzählte Rüdiger vom Jahr 1956, um dann mit der Lufthansa Convair CV-240 nach Frankfurt zu fliegen und am gleichen Tag wieder zurück. Dieses Erlebnis war ihm sein ganzes Monatsgehalt von 56,- DM als Lehrling wert.
Nach rund 50 Flügen auf dem SG38, fand im Sommer 1957 der erste Alleinflug auf einem „richtigen“ Segelflugzeug statt, einem Specht, einem Doppelsitzer von Scheibe-Flugzeugbau. Ein Jahr später flog Rüdiger das einsitzige Segelflugzeug Cumulus, ein komplett vom Verein gebautes Flugzeug, das er von der ersten Rippe an mit gebaut hat. Es hatte die Flächen vom Grunau Baby und einen Stahlrohrrumpf. Es war sehr wendig und gut für Hangflüge, wo es immer das höchste Flugzeug war und es stieg auch gut in der Thermik.
Überlandflüge wurden mit dem Bergfalken geflogen. So flogen 1959 Rudi Pape und Rüdiger Schaible 170km und erkämpften sich damit den ersten Platz im Wettbewerb der Jugendgruppe innerhalb des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes.
Ab 1969 widmete er sich nur noch der motorisierten Fliegerei. So wurde auf der gegenüberliegenden Talseite, auf dem Kengel, ein neuer Platz geschaffen und in Eigenleistung eine Halle gebaut. Im Frühjahr wurde dann der erste Motorsegler des Vereins, ein Fournier RF-5, mit dem Kennzeichen D-KABB, geliefert. Der Kengel war von 1971 bis 1975 auch für die Segelflieger ihr zuhause, nachdem die Halle nach einer Brandstiftung abbrannte. So wurden fünf Vereinsflugzeuge und ein Privatflugzeug Raub der Flammen. Mit dem Brand wurden damals auch alle seine dort verwahrten Bilder zu Asche, daher existieren aus seinen Anfängen keine Bilder mehr.
Es war nicht vor 1975, dass auf dem heutigen Flugplatz Wächtersberg-Hub die neue Halle entstand und anschließend das Vereinsheim. Auch wieder weitestgehend in Eigenleistung. Rüdiger bekam für die Arbeiten an den Gebäuden und Außenanlage die Arbeitsgeräte von seinem Arbeitgeber bereitgestellt. So wurde unter Anderem die Trasse für die Stromkabel vom 600 Meter entferntem Munitionsdepot zum Vereinsheim von ihm gebaggert.
Neben den Erzählungen bekamen die Zuhörer nach der Pause auch Bilder präsentiert. Mit einem Super8 Film waren die Flugtage von 1976 bis 1982 festgehalten. Beeindruckend die damals auch durchgeführten Überflüge der Luftwaffe in Formation mit mehreren F-4 Phantom Kampfflugzeugen und einer Transall C-160.
Mehrfach mussten die Zuhörer lachen, dank der bildhaften Beschreibungen. So wusste Rüdiger von einem Flug in den USA zu berichten, bei dem im Anflug auf den über 2000m hoch gelegenen Flugplatz, es zu einem lauten Knall kam. Aber es war kein Schaden am Flugzeug entstanden, denn beim Blick nach hinten zeigte sich, dass sein Sohn von Popcorn überschüttet war, da aufgrund des geringen Druckes in der Höhe beim mitgeführten Proviant die Tüte geplatzt war.
Neben der richtigen Fliegerei widmete er sich all die Jahre seit 1955, bis heute, auch der Modellfliegerei. Ab den 1960-ern gab es die ersten ferngesteuerten Flugmodelle. Schließlich wagte er sich an den Bau eines Großmodells. Es gab keinen Bausatz, die Maße wurden der Anleitung des Faller Plastikmodells entnommen. So entstand im Eigenbau aus Balsa- und Sperrholz ein 18kg schweres Modell mit 3,5 Metern Spannweite, das 1975 nach zwei Wintern Bauzeit erstmalig flog. Die Sud Aviation SE 210 Caravelle flog auf vielen Modellflugtagen im süddeutschen Raum und wurde auch in der Schweiz und im Elsass vorgeführt.
Derzeit besitzt Rüdiger dreißig flugfähige Modelle. Das zweite Großmodell, einem „North American Rockwell OV-10 Bronco“ im Maßstab 1:3,5 steht kurz vor der Fertigstellung. Dieses hat eine Spannweite von 2,5 Metern und bringt 15kg auf die Waage. Sein größtes Modell, bezogen auf die Spannweite, ist ein Segelflugzeug mit 4,20 Metern von Flügelspitze zu Flügelspitze.
In all den Jahren wurde Buch über die Modellflüge geführt und es sind insgesamt über 20.000 Füge in 60 Jahren zusammen gekommen, 16.000 davon alleine in den letzten 20 Jahren. Sein Rekordjahr war 2014 mit 1678 Flügen, insgesamt über 234 Stunden auf 20 verschiedenen Modellen.
Für den gelungenen Abend gab es für Rüdiger Schaible einen langanhaltenden Applaus. Wer schon kann auf sechzig Jahre Mitgliedschaft im Verein zurückblicken und dies mit einer solchen Begeisterung vortragen. Vierzig Jahre ist Rüdiger aktiv geflogen, auch das eine lange Zeit.